Heiteres Schiffeschubsen

Frachter auf Kollisionskurs

Upps …

Einsichten in das Miteinander zwischen Berufs- und Sportschifffahrt von Marc Petrikowski

Über die Berührungspunkte zwischen Berufs- und Sportschifffahrt informierte uns Marc Petrikowski, erfahrener Seelotse in der Region Weser II / Jade. „Berührungspunkte“ ist ja schon ein etwas beunruhigender Begriff, und so lautete die spontane Antwort aus der Zuhörerschaft auf seine erste Frage, was man denn so als Segler macht, wenn ein dicker Pott direkt auf einen zukommt: „Fender ausbringen!“

Einsichten in das Miteinander zwischen Berufs- und Sportschifffahrt von Marc Petrikowski

Einsichten in das Miteinander zwischen Berufs- und Sportschifffahrt von Marc Petrikowski

Spannend war dann schon mal direkt zu sehen, was für eine Ausbildung man als Lotse durchläuft und wie die Aufgaben aussehen: nach einer intensiven maritimen Laufbahn, die durchaus um die 10 Jahre Erfahrung vereinen kann, ist man für die Beratung der von See kommenden Schiffe zuständig, bis der Hafenlotse übernimmt. Wechselseitig entweder von Land aus im Rahmen der individuellen Radarberatung, oder man wird auf dem Wasserweg zum einlaufenden Schiff gebracht. Ist dies bei schlechtem Wetter wie starkem Seegang schwierig, erfolgt das Absetzen per Hubschrauber aus der Luft. Die Beratung sieht dann in der Praxis wohl aber eher oft so aus, dass der Kapitän froh ist, mal eine Mütze Schlaf nehmen zu können oder eben seine E-Mail zu checken, sodass der Lotse sich selbst schnell allein mit den vielen verschiedenen Schiffstypen und ihren Eigenarten anfreunden können muss.

Ist das ein Freizeitboot?

Seelotse Marc Petrikowski hat auch immer genug Stoff für viele Lacher parat

Für unsereins sind ja 20 m schon ein „großes“ Schiff, in der Berufsschifffahrt dagegen sind Abmessungen von 180 Meter Länge – Mitte der 80er-Jahre eine typische Schiffsgröße – heute eher „klein“ und „handlich“. Marc Petrikowski gab dazu eine Übersicht der Dimensionen, die jetzt üblich sind: Heute „schubst man über 400 Meter Blech herum“, die aber durch diverse Assistenzsysteme teilweise einfacher zu fahren seien als kleinere Frachter früher. Dennoch bleiben die Dimensionen natürlich gigantisch, die Ruderfläche kann schon mal 140 m2 betragen. Entsprechend winzig sind im Vergleich natürlich die Sportboote.

Perspektive von einer Brücke

Perspektive von einer Brücke

Marc Petrikowski zur Situation, wenn ein Sportboot an der falschen Seite passiert: Von seiner Brückennock aus müsste er erst mal locker 60 Meter zu Brückennock auf der anderen Seite des Schiffes laufen, „um nachzuschauen, ob Sie noch da sind“. Mit vielen Fotos wurden die Sichtbedingungen von der Brücke aus nacherlebbar: Container werden am Bug zwar extra tiefer gestapelt, dennoch bleiben vor einem Frachter durchaus 500 m Raum, der von der Brücke nicht sichtbar ist, und auch seitlich können es 200 m sein. Selbst die Schlepper bei einem Manöver verschwinden da in den toten Winkeln. Auf anderen Fotos wiederum war zu sehen, wie Segler mitten in komplizierte Hafenmanöver hineinfahren, auch nicht bedenkend, wie stark das Heck einer Fähre seitlich ausschwenken kann oder welche extremen Strömungsverhältnisse dort antriebsbedingt entstehen. A porpos Strömung: Bei Fahrt mit hoher Leistung (z. B. wegen Gegenstrom) kann es 20 Minuten dauern, bis die Schiffssteuerung eine gewünschte Absenkung der Geschwindigkeit überhaupt kontrolliert an den Antrieb weitergibt, um dessen Beschädigung zu vermeiden. Mal eben Aufstoppen kann also einen Moment dauern …

Radarbild

Radarbild: schwer was los …

Als Empfehlungen gegeben wurden viele Tipps, die eigentlich bereits der gesunde Menschenverstand empfiehlt. Eine Möglichkeit ist natürlich, selbst die Landradarberatung in Anspruch zu nehmen, ja man könnte sogar selbst den Support durch einen Lotsen nutzen, wie man angesichts der relativ günstigen Einstiegstarife von 180 Euro Lotsengebühr scherzhaft feststellte. Ganz wichtig ist jedenfalls, das eigene Verhalten frühzeitig durch deutliche Manöver anzuzeigen, um die Schiffsführungen rundum nicht zu verunsichern. Je nach Revier sollte man sich über den für die Verkehrsabwicklung zu benutzenden Arbeitskanal im Funkverkehr im Klaren sein (und nutzen). AIS ist eine tolle Sache (Petrikowski wiedersprach übrigens deutlich dem Gerücht, die Berufsschifffahrt würde die Freizeitskipper dort bewusst in ihren Anzeigen ausblenden), AIS ist im Gegensatz zum Radar aber immer mit Verzögerungen behaftet. Dann sollte man nicht davon ausgehen, dass man überhaupt gesehen wird (nicht einmal davon, dass die Brücke im Moment überhaupt besetzt ist …). Ein – möglichst aktiver – Radarreflektor hilft, erkannt zu werden. Und ein regelmäßiger eigener Blick rundum und etwas Mitdenken bewahren davor, nicht von einem Berufsschiff überrascht zu werden, das plötzlich doch viel schneller da ist, als man dachte. Und auch in schwierigen Revieren gibt „die kürzeste Entfernung zum Land ist nach unten“, d. h. es kann für die Berufsschifffahrt je nach Wassertiefe schwierig sein, einer Ausweichpflicht überhaupt nachzukommen, zumal die Reviere nicht weiter ausgebaut, aber immer dichter befahren würden.

Langsamer werden die Berufsschiffe übrigens meistens auch nicht bei schlechter Sicht.

Marc Petrikowskis eindringlicher Rat bei Nebel:

Bleiben Sie im Hafen!

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