Vier Tage lang konnten wir als Erwachsene, Familien und Jugendliche spannende und erholsame Tage am und auf dem Ratzeburger See verbringen
Dümmer und Steinhuder Meer – diese beiden Segelreviere waren uns in den letzten Jahren vertraute Ziele der jährlichen Vereins- und Jugendfreizeit. 2014 kam uns dort aber eine angespannte Buchungslage in die Quere, und so besonnen wir uns auf eine im Vorfeld bereits diskutierte Alternative: den Ratzeburger See im Bundesland Schleswig-Holstein. Sowohl für uns – gewohnt, sehr selbstbestimmt und mit eigenem, vertrauten Bootsmaterial agieren zu können – als auch das dortige Segelzentrum – mit eigenem Bootspark, aber eher eingestellt auf segelnde Schulklassen – bedeutete das einige Abstimmungsarbeit im Vorfeld. Aber auch eine besondere Spannung und Vorfreude auf das Juni-Wochenende, sodass wir uns sogar im Jugend-Winterprogramm bereits mit dem neuen Segelrevier auseinandersetzen konnten. Und nicht nur für diejenigen, die sonst viele Stunden ihrer Zeit mit dem Packen des Materials (vor, als auch nach einer Freizeit) verbringen, würde es mehr Zeit auf dem Wasser bedeuten: Trotz etwas längerer An- und Abreise konnten alle länger segeln, weil wir auch den Abreisetag noch halb segelnd verbrachten statt auf der Slip-Bahn oder in der Bootshalle zu Hause.
Ab auf’s Wasser – irgendwas stimmt noch nicht
Am Mittwochabend wurden wir dann nach der Anreise bereits von der malerischen Umgebung überrascht, sozusagen im Schatten des beeindruckenden Ratzeburger Doms liegt das Segelzentrum mitten in einer idyllischen Altstadt mit abendlichem Gaslaternen-Charme. Die ersten sieben Ankömmlinge hielt es nach dem Abendbrot zum Empfang dann nicht mehr lange an Land und so wurde direkt eins der 8er-Kanus zu Wasser gelassen. Der Einstieg gelang noch einigermaßen kenterfrei, und mit etwas Chaos bewegte sich das Kanu dann – sogar vorwärts, oder saßen wir falsch herum drin? – aus dem Hafen heraus, wo uns gleich das in den nächsten Tagen ähnlich bleibende Wetter in Form doch beachtlicher Wellen und kräftigen Windes begrüßte. Es ist bis heute nicht geklärt, ob wir überhaupt in irgend einer Form Kontrolle über den Kurs dieses Gefährtes hatten, oder ob wir den Kurs nur einfach immer wieder entsprechend unserer aktuellen Fahrtrichtung neu definierten. Wir stellten dann aber unterwegs zu unserer Entschuldigung entscheidende Mängel am Boot fest: Es verfügte weder über eine Ruderanlage, noch einen Mast (also auch über kein Segel), und als wenn das nicht schon schwierig genug gewesen wäre, waren auch noch keinerlei Hilfsmittel zu finden, um die zwei im Bug herumzappelnden Kinder vorübergehend an den nicht vorhandenen Mast zu binden. Durch ein sehr elegant-spontan-sportliches rechtwinkeliges Abbiegemanöver konnten wir jedoch nicht nur ein zum Überholen ansetzendes Boot energisch in seine Schranken verweisen, sondern irgendwann auch die Umrundung unserer Dominsel zurück zum Segelzentrum vollenden. Klar, dass es danach erst mal in die Segelzentrums-eigene Hafenkneipe ging, die abends von den wechselweise anwesenden Ehrenamtlichen des Segelzentrums geführt wird.
Kreuz und quer auf dem Ratzeburger See
In den nächsten Tagen galt es dann, sich mit den anderen Gruppen im Segelzentrum abzustimmen und die Boots- und Kat-Verteilungen zu optimieren, was auch meistens prima geklappt hat, aber nicht nur weil Conny und Hasko vom Segelzentrum immer ein offenes Ohr für uns hatten: Die Wetterbedingungen waren doch eher sportlich zu nennen. Im weiteren Küstenverlauf war der Wind so stark, dass etliche norddeutsche Segelveranstaltungen darunter litten, und auch am Ratzeburger See war es so stürmisch, dass einige der anderen mit uns angereisten Gruppen gar nicht auf die Jollen aufgeteilt werden konnten, sondern z. B. ein Alternativprogramm mit dem Kutter absolvierten. (Der übrigens, wie wir später daneben her segelnd feststellten, zwar sehr gemütlich aussieht, aber offenbar auch ganz gut einen Zahn zulegen kann.) So hatten wir den See und alle Boote oft allein für uns.
Spaß & Sicherheit
Der Ratzeburger See erstreckt sich vom Segelzentrum rund 10 km nach Norden, und bei vielen Wetterbedingungen ist das dann schon eine ganz schöne Strecke. Nicht so bei diesem starken Wind: Nach dem Frühstück endlich losgelassen waren die ersten von uns schon ruckzuck da oben und pünktlich zum Mittagessen zurück. Was auch am Bootspark liegt, der von den Kids erst einmal argwöhnisch beäugt wurde: eine Conger mit Sturmsegel oder ein Polyvalken sehen spontan erst mal nicht sooooo cool aus. Sie bewährten sich dann aber hervorragend, alle auch bei so heftigen Bedingungen sicher aufs Wasser und wieder zurück zu bekommen. Wozu noch ein weiterer Aspekt beiträgt: es ist schon ein sehr beruhigendes Gefühl, dass sich im Hafen immer ein startklares Sicherungsboot und ein aufmerksames, einsatzbereites Ehrenamtlichen-Team befinden, die uns unterstützen können.
Auch einen weiteren Standortvorteil konnten wir nutzen: Fußläufig erkundet man die historische Altstadt rundum, besorgt ein leckeres Eis oder bestaunt ein Wikingerschiff. Mit dem Auto ist es aber auch nicht weit zur Ostsee, sodass einige von uns auch dort oder in Lübeck einmal kurz die Luft geschnuppert haben.
Ausflug in den Grenzfluss
Im Laufe der Tage haben wir dann alle erfreulicherweise sehr, sehr viel Zeit auf dem Wasser verbracht incl. einer gemeinsamen Tour mit allen Booten in die Nordspitze des Sees nach Rothenhusen: Dort hatten wir am Vortag bereits einmal ausgekundschaftet, dass man dort mit Schwung – aber wegen eines kleinen Fahrgastschiffes bremsbereit – in den ehemaligen Grenzfluss zwischen Westdeutschland und DDR einfahren und dann ein Stück zwischen Bäumen weiterpaddeln und anlegen kann. Das ist schon eine urige Stimmung, und beim anschließenden Kaffee & Kuchen mit Blick über die ganze Länge des Sees haben wir besonders intensiv diese Stimmung genossen. Nicht nur an diesem Tag galt es allerdings, erst mal bei dem konsequent auf dem Hafen stehenden Wind überhaupt ablegen zu können.
Dass uns mitten im Ablegen ein wirklich sintflutartiger Regenschauer erwischte, ist erst mal nicht so schlimm – gegen die Nässe von unten und oben musste man sich eh immer dicht anziehen. Als Opti-, Feva- oder 420er-Segler stellt man aber fest, dass man auch einen mit Erwachsenen besetzten Polyvalken definitiv nicht mehr aus der Box zur nächsten Boje gepaddelt bekommt, wenn einem eine steife Brise voll auf die 12 steht. Gut, wenn dann ein Ehrenamtlicher den Motor anwirft und uns alle ein paar Meter vorschleppt. Und spätestens bei solchen Strecken ist man froh, dass unsere Jugendlichen das Jahr über sehr viel Routine und Souveränität entwickeln: Wenn da unterwegs bei Wind und Welle David (ausnahmsweise tatsächlich überraschend und versehentlich!) unvermittelt aus dem Boot plumpst, hatte Nils schon schneller gewendet und ihn am Kragen wieder aufgefischt, als man überhaupt bis fünf zählen konnte.
Überraschend krasser Wind
Das zu erleben freute nicht nur Klaus, der immer wieder mit stolzgeschwellter Brust und vor Rührung feuchten Augen bei Windstärke 6 – 8 auf dem Steg stand: „Auf dem aufgewühlten See heizen alle Segelkids berauscht von der Geschwindigkeit über die Wellen. Auch bei unvorhergesehenen Problemen wie z. B. dem plötzlichen Loslösen des Baums vom Mast verlieren sie nicht die Übersicht und gehen völlig souverän mit der Situation um. Sie bergen das Groß, fahren mit Fock zur Boje, reparieren den Schaden, setzen die Segel erneut und … weiter geht’s. Selbst das Anlegen bei diesen Windstärken – heißt hier bergen der Segel während der Fahrt und steuern zum Steg ohne Segel – gelingt wie aus einem Lehrbuch. Das klappte bei vielen erwachsenen Seglern längst nicht so gut. Ratzeburg hat gezeigt, dass die Kinder gut ausgebildet sind und gelernt haben, wie sie sich auf dem Wasser auch bei extremen Windverhältnissen zu verhalten haben.“
Aber auch aus Sicht der Jugendlichen war es eine tolle Zeit, so Nils Weber: „Unsere Segel-Freizeit war dieses Jahr wieder der Hammer. Neben dem überraschend krassen Wind hatten wir diesmal noch das Glück, dass wir bei dieser Freizeit keine eigenen Boote mitbringen mussten. Was letztendlich den Vorteil brachte, dass jeder an-und abreisen konnte, wann er wollte. Wie schon erwähnt war mordsmäßiger Wind, welcher zu hammermäßigen Segel-Törns quer über den See einlud. Der Wind wurde von uns Jugendlichen auch gnadenlos ausgenutzt, wobei es schon mal passieren konnte, dass ein Ruder brach oder ein Vorschoter bei einem Manöver aus dem Boot fiel.
Wo viel Spaß ist, können aber auch lange Gesichter gezogen werden: Einer von uns Jugendlichen musste leider aus familiären Gründen einen Tag früher abreisen – für ihn wurde am folgenden Tag, mitten auf dem See, eine Schweige-Minute eingerichtet.“
Danke an die Ratzeburger – Ausblick 2015
Bleibt ein herzlicher Dank an das Team in Ratzeburg in der hervorragenden Küche, in der Verwaltung, der Bootshalle und an die Ehrenamtlichen, die uns auch den einen oder anderen Tipp gegeben haben und insbesondere an Conny („Für euch war ein toller Wind – für das Material ist das ja nicht so gut …“) und Hasko für das in uns gesetzte Vertrauen.
Derweil haben wir intern schon wieder das nächste Jahr im Blick – das sieht doch schwer nach einer Wiederholung aus … zumal es 2014 einen bedauerlichen Zwischenfall gab: Erzürnt, von seiner Tochter überholt geworden zu sein, setzte Klaus mit Armin zu einem radikalen Rammkurs an, umklammerte dann das gegnerische Boot, bis Armin feststellen musste „Mist, jetzt segeln wir rückwärts“. Nachdem auch der zweite Aufholversuch trotz hektischen Ausreffens mißlang, versuchte er nach Ablauf des Laufs das gegnerische, bereits rücksichtsvoll einparkende Boot noch durch hektische Manöver unter vollen Segeln im Hafenbecken auszuschalten.
Also da stehen 2015 noch mindestens drei Strafkringel aus! 🙂
Text: Nils Weber, Klaus Valtin, Detlef Hoepfner
Fotos: Katharina Reglinski, Detlef Hoepfner