Überfahrt nach England

2018 suchten wir für unseren jährlichen Nordseetörn eine neue Herausforderung: Es sollte über den Ärmelkanal ins Vereinigte Königreich gehen!

Mit unserer achtköpfigen Crew schifften wir uns Mitte September in Cadzand-Bad am südlichen Ende der Niederlande, ganz nah an der belgischen Grenze, auf unserer Bénéteau Océanis 43 ein. Unter Skipper Rainer waren dabei: Dirk, Christian, Klaus, Ingbert, Steffen, Anna und Kati.

Am nächsten Morgen wollten wir gleich los zur Überfahrt. Aber erst hatten wir mit Wind aus falscher Richtung zu kämpfen. Daher ging es zunächst nach Norden, entlang der niederländischen Küste. Ziel: uns für die Überfahrt in eine strategisch günstigere Position zu bringen. Der stete achterliche Wind verbunden mit einer starkem Kreuzsee führte bei einem Großteil der Crew allerdings durchaus zu Unbehagen in Form von Seekrankheit. Auch das feuchtkalte Wetter machte den Auftakt unserer Reise nicht wirklich zum Vergnügen. Bei Sonnenuntergang dann erreichten wir in der Oosterschelde die Schleuse. Über der Schleuse ist leider noch eine feste Brücke gebaut. Also noch einmal eine halbe Stunde warten, bis ein Abstand von 19,5 m zwischen Wasseroberfläche und Brücke erreicht war, um dann durch die Schleuse nach Roompot zusegeln. Aber nach einer warmen Dusche und einem guten und reichhaltigen Essen waren alle wieder bester Dinge. Hier ist besonders die Rolle von Steffen hervorzuheben, der erstmalig auf einem Törn mitfuhr: Als hervorragender Schiffskoch war er ständig unter Deck und hat für uns geschnibbelt und gebrutzelt!

Oosterschelde

Früh am nächsten Donnerstagmorgen ging es wieder los und wir waren guter Dinge, denn das Wetter klarte auf und die Sonne schien. Doch als wir unsere Sonnencreme herausholten, mussten wir auch feststellen, dass der Wind deutlich nachließ – und laut Vorhersage war auch nicht mehr zu erwarten. Da der Weg nach England noch weit war, entschieden wir uns nach demokratischer Abstimmung, für eine Weile mit Motor zu fahren. Somit wurde es ein sehr erholsamer, entschleunigter und sonnenreicher Tag. Wir mussten nur auf den Verkehr der riesigen Containerschiffe achten, der erst nachließ, als wir das Verkehrstrennungsgebiet von Rotterdam hinter uns gelassen hatten. Nachdem wir zusammen wieder ein sehr leckeres Abendessen gekocht hatten, frischte der Wind endlich leicht auf und wir konnten die Segel wieder setzten. Es war allerdings noch einiges an Strecke zu machen! Nach dem Durchsegeln des Sonnenuntergangs rüsteten wir uns mit warmen Pullovern, Mützen, Jacken und Handschuhen aus und machten uns bereit für die Nachtfahrt. Nach der Flaute des Tages frischte der Wind nun wieder auf und es ging gut voran bei 4 Beaufort und mehr. Dazu hatten wir einen sternenklaren Himmel, von dem man nur durch Blinklichter von Fahrwassertonnen, Windparks und Containerschiffen abgelenkt wurde. Hier noch mal ein großes Lob an unsere Navigatoren, die uns gut durch die Kreisverkehre in den Verkehrstrennungsgebieten gelotst haben! Interessant zu wissen: In britischen Gewässern fährt man rechts!

Ab 22 Uhr bis zum nächsten Morgen fuhren wir in Schichten von zweimal drei und einmal zwei Teams, wobei jede Schicht zwei Stunden dauerte. So kamen wir gut durch die Nacht, ohne völlig müde zu werden. Die konstante Versorgung mit heißem Kaffee, eine milde Außentemperatur und der schöne Sternenhimmel brachten uns gut durch die Nacht.

Gegen Morgen lösten sich dann die Teams auf – wer wach war segelte, während andere noch ein bisschen weiterschliefen. Besonders viel Schlaf haben wir in der Nacht alle nicht bekommen, aber segeln in der sternenklaren Nacht hat allen viel Spaß gemacht!

Bei schönem Wetter ging es also unter Segeln weiter in Richtung Großbritannien, dauerte aber noch bis zum frühen Freitagmittag, bis wir Harwich erreichten. Vorbei an zwei alten Feuerschiffen, die als Boje dienten, ging es in eine kleine Schleuse und von dort in den Shotley Yachthafen mit Blick auf den Felixstowe International Containerhafen, der schon bei der Anfahrt von weitem zu sehen, und besonders am Abend mit der Beleuchtung, ein imposanter Anblick war.

Shotley

Wir erholten uns nun alle von der anstrengenden Nacht. Es wurde wieder gut gekocht und –schließlich waren wir in England – viel Tee getrunken. In den Pub am Hafen haben wir es allerdings nicht mehr geschafft: Erstens, weil wir nach fast 30 Stunden ohne Anlegen bisher keine Möglichkeit hatten, unser gutes holländisches Bier zu genießen (richtige Segler trinken ja erst nach dem Anlegen), sodass sich davon noch Unmengen im Schiffsbauch befangen. Zweitens weil das Essen, verbunden mit guter Gesellschaft und der hervorragenden musikalischen Begleitung von Ingbert und Klaus eine so tolle Stimmung verbreitete, dass keiner das Boot verlassen wollte.

Ohne uns viel Mühe zu machen und die Uhren umzustellen, ging es frisch gestärkt und hoch motiviert am nächsten Morgen um 6 Uhr vor Sonnenaufgang wieder los, weil gerade Hochwasser war und wir uns mit dem ablaufenden Wasser nach Süden an der Küste entlangziehen lassen wollten. Was für den ein oder anderen Morgenmuffel ein hartes Stück Arbeit bedeutete, zahlte sich aber beim Anblick der aufgehenden Sonne auf dem Wasser wieder doppelt und dreifach aus. Bei gutem Wetter und stetem Wind ging es zurück Richtung Festland. Endlich konnten wir auch den Gennaker nutzen. Jetzt waren wir insgesamt schneller und schafften die Strecke in 19 Stunden. Unterwegs sahen wir die alten Luftverteidigungsanlagen Maunsell Forts der Engländer aus dem Zweiten Weltkrieg und sehr viele Windparks – in Aktion und erst im Bau befindlich.

Wir steuerten wieder unseren Ausgangshafen Cadzand-Bad an. Unterwegs war interessant zu beobachten, das man auch vom Wasser aus erkennen konnte, dass Belgien heller beleuchtet wurde als Holland. Schon in der Nacht zu Sonntag wieder in Cadzand-Bad angekommen, konnten wir am Sonntag noch mal kurz rausfahren, um Manöver zu üben. Hier lässt sich abschließend festhalten, dass das Hamburger Manöver bei Mann über Bord sehr viel Übung braucht, damit unser Fender nicht von anderen Schiffen überfahren wird! Auch Steffen kam voll auf seine Kosten, indem er das erste Mal ein „richtig großes“ Schiff steuern konnte. Und dass die gefühlten 45° Schräglage eine zusätzliche Herausforderung in der Küche unter Deck bedeuten.

Damit war unser Törn auch schon wieder vorbei und es ging zurück ins Ruhrgebiet: Mitnehmen durften wir ein inneres Grinsen beim Gedanken an das offene Meer, die ins Gesicht spritzende Gischt, den tollen Sternenhimmel über der Nordsee und gute Erinnerungen an eine tolle Crew.

Zusammengetragen von Kathi, Steffen und Dirk

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