„Ich dachte schon, Du fragst nie mehr!“ Unser Ziel Bagenkop auf der Insel Langeland im Südosten Dänemarks liegt schon seit ein, zwei Stunden scheinbar zum Greifen dicht vor uns. Armin ist erleichtert, klinkt den Fockbaum an Mast und Vorsegel aus, während ich die Lüftung am Benzintank öffne und aufs Heck klettere: Benzinschlauch seitlich der Pinne legen, Motorhalterung entriegeln, Außenborder in Wasser fieren, Choke ziehen, ein wenig Gas einstellen, einmal kräftig am Startseil gezogen – läuft – Choke rein, einkuppeln, die eigenen Beine neu sortieren und zurück in Cockpit klettern: Klassisches Segelboot hin oder her – irgendwann will man auch mal ankommen. Und mit Wind um 1 Bft kommt man am heimischen Kemnader See durchaus weiter. Wenn aber hier der Zielhafen in Sichtweite eine Seemeilen vor einem liegt, bedeutet das bei einem Knoten „Speed“ noch eine weitere Stunde „Segelzeit“. Die nutzen und verkürzen wir jetzt lieber unter Motor, indem wir schon einmal die Fock grob zusammenlegen, das Großsegel ordentlich auftuchen und noch einmal einen Blick ins Hafenhandbuch und durchs Fernglas werfen: Hinterher scheint ja alles immer ganz einfach. Aber wenn man erstmalig einen unbekannten Hafen anläuft, der in der Karte noch recht übersichtlich erscheint, ist es aus niedriger Perspektive knapp überm Wasserspiegel schon etwas spannend. Um welche Molen müssen wir wie herum, welcher ist der Turm aus der Seekarte und das Panorama von zig Pfählen will schnell in zugehörige Paare sortiert werden, zwischen denen man einen freien Platz – passend zur Länge der eigenen Heckleinen – pickt.
Angelegt. Kurz umsehen. Der neben uns einlaufenden Nachbarcrew beim Festmachen helfen. Pfanne raus für Bratkartoffeln. Mann geht es uns gut.
Wie kommen wir überhaupt hierher?
Idee: Mal im Segelklassiker nach Dänemark?
Im Jahr zuvor waren uns 2015 schön restaurierte Folkeboote über den Weg gelaufen. Die Arbeit möchten wir nicht am Hals haben (uns reichen die kalten Hallen-Winter mit den Plastikbooten), aber seit ich 2003 erstmals bei Bernd Helmers in Brandenburg eine Flotte an Holzbooten sah (und seitdem gelegentlich für Touren auf der Havel nutzen konnte), war ich doch dauerhaft vom Holzwurm-Virus infiziert. Bei einem Herbsturlaub an der Schlei dann die Gelegenheit genutzt, Katja und Mike von www.klassisch-am-wind.de zu treffen, und in letzter Minute vor dem Winterlager noch schnell einmal in eins ihrer Folkeboote gesprungen, auch wenn es schon auf dem Trailer ruhte: Wahnsinn. Was für eine Atmosphäre. Kurz umgucken, anfassen. OK – können wir ablegen?
Der Wille ist gefasst.
Aber bis zum Ziel sind noch viele Hürden zu überwinden. Bin öfters auf der Ostsee gesegelt, aber in viel größeren Schiffen. Und vor allem: Nicht eigenverantwortlich. Ich habe in Gegensatz zu Armin nicht mal diesen lästigen SBF See, weil man im Winter andere Dinge zu erledigen hat, als stumpfsinnige Fragen zu pauken. Da kommt das Angebot von Klassisch am Wind für mehrere Flotten-Angebote ab Maasholm, gelegen direkt am Übergang von der Schlei zur Ostsee, gerade richtig. (Nein, wir sind nicht mit der Seekarte hinter diesem Link gefahren – mehr dazu in einem eigenen Beitrag.) Zusammen zu segeln macht doch sowieso viel mehr Spaß. Mit Armin finde ich hier im SVWK einen Mitsegler incl. IJsselmeer- und Waddenzee-Erfahrung; nach ganz viel Organisiererei legen wir ein paar gemeinsame freie Tage fest. Ich melde mich für den SBF an. Kaufe zumindest mal ein LRC-Buch. Büffel im Winterurlaub, die Kartenarbeit macht sogar Spaß. Im Internet finden wir einen kompletten, wenn auch alten Kartensatz samt Hafenhandbuch. Zur Planung reicht der, Armin segelt mit dem Finger auf der Karte bereits die halbe Dänische Südsee ab. Von ihm tickern mitten im Winter WhatsApp-Nachrichten ein wie „Komme gerade von Ærø zurück, war ein schöner Tag!“
Dann ein Schreck: Eine Flotten-Tour kommt nicht zustande. Mist! Wir könnten ein zweites Boot haben, für die Idee brennende Interessenten finden wir zwar, aber es passt alles terminlich nicht. Trauen wir uns das alleine zu? Armin und ich haben zusammen viele Seemeilen auf der Uhr, wir verstehen uns sowieso blind, aber mit völlig unbekanntem Boot und unserer (mit zunehmender Erfahrung auch steigenden) Skepsis …? Wir entscheiden: Wir fahren jetzt, Punkt. Verabreden ein paar Trainingsrunden vor Ort. Und wenn uns die Lage nicht geheuer ist, bleibt immer noch die geschützte Schlei, auch wenn es da ein wenig eng zugeht. Oder hocken uns ins Boot und lesen Bücher. Also unterschreiben, Skipperversicherung abschließen, Packlisten anlegen. Wie verpflegen wir uns? Man ist ja nicht aus der Welt, aber ein wenig Unabhängigkeit wäre nicht schlecht, auch ohne Kühlschrank. Wir treffen uns für das Erstellen einer Rezepteliste. Unsere Frauen bekommen einen Lachkrampf: Ein Zettel mit „Dose Ravioli“ und „Wasserflaschen“ sei höchstens eine Einkaufsliste. Ja das wird ja noch erweitert! Vorfreude, Vorfreude, Vorfreude!
Wir schätzen unsere Anreise ab, das ist schon eine Strecke von NRW bis in den fast äußersten Norden Deutschlands. Also reisen wir besser am Vortag an, und einen Tag später zurück – eine der besten Entscheidungen. In Kappeln früh morgens kaufen wir alle frischen Sachen nach. Armin meditiert eine gefühlte halbe Stunde vor dem Apfelangebot, derweil suche ich alles andere von A wie Aprikosen bis Z wie Zwiebeln zusammen. Nicht nur diese perfekten Äpfel bewähren sich dann auf See ideal: Einfach wunderbar, unterwegs auf dem Wasser frisches Obst und Gemüse aus den Tiefen des Bootes hervorzusuchen und gemeinsam zu genießen!
Folkeboot-Segeltraining
Beim ersten Blick aus dem Boot dann legt man schon die Ohren an: Es jault und klappert gehörig im Hafen. Mike begrüßt uns zu unserem kleinen Training, „da draußen pfeift es übrigens noch mehr“. Er zeigt uns einige Besonderheiten des Schiffs. Bevor einem etwas seltsam vorkommt, hat er schon die Erklärung auf den Lippen: „Typischerweise ist auf einem Folkeboot …“ Wir sind aber schon damit beschäftigt, die grundlegenden Dinge zu verinnerlichen: Auf welcher Seite ist nochmal das Großfall, ich hab’s mir doch schon dreimal angesehen … Und etwas grummelig ist uns angesichts der Außenbordersituation: Man weiß überhaupt nicht, wohin mit den eigenen Extremitäten auf der winzigen Ecke des Hecks. Und ist mit Nicht-über-Bord-fallen eigentlich schon so beschäftigt, dass für Schalten, Gas geben, Motor drehen, Pinne bedienen und dann noch gucken, wie man die zwei Tonnen Lebendgewicht schönster hölzerner Bootsbaukunst auf 7,64 m Länge in der engen Pfahlreihe der Werft herumbugsiert bekommt, kaum Gedanken frei bleiben. Wir wechseln die Positionen durch, wiederholen alles noch einmal, produzieren erfreulicherweise auch kein Kleinholz – aber ich komme mit vor, als steuerte ich zum ersten Mal ein Boot. Nun die Segel hoch, anluven, um die geschützte Hafenecke herum. Unsere Jacaranda legt sich auf die Seite, nimmt wunderbar Fahrt auf. Vom Bug kommt eine Eimerfüllung erfrischenden Salzwassers angeflogen. Mike, vor mir stehend, duckt sich schnell genug. Ich nicht. Meine Güte, dieses kleine Boot kann echt was ab. Aber wir merken auch: Nach den Arbeitswochen zuvor, der langen Anreise, ganz viel neuen Eindrücken heute reicht es bald. Wir legen erst wieder im Werfthafen an. Trocknen uns, gehen die Manöver nochmal durch, räumen auf: im Boot ist alles einmal durchgemischt.
Wir gucken uns dann im stürmischen Wetter beide Häfen und das kleine Maasholm an. Helfen einer aus UK rübergesegelten Crew, die sich über die deutsche Infrastruktur wundert: „Diese Pfahlreihen kennen wir überhaupt nicht, gestern reichten nicht einmal unsere Heckleinen, das war vielleicht lustig!“ Dann zurück ins Cockpit, Kuchenbude aufbauen, die erstaunlich sicher steht und den Kocher ausprobieren: Toll funktionierendes und blitzschnell auf-/abgebautes System mit der kleinen Gasflasche, bleibt uns ab jetzt weg mit Spiritus!
Unser zweiter Freund: ein kleiner Elektroheizlüfter, schon der Sicherung zuliebe betrieben auf Eco-Stufe. Es ist überhaupt nicht kalt im Boot, aber nach einigem Regen und dem stürmischen Segeln stehen an einer Stelle innen am geklinkertem Rumpf in einer Fuge ein paar Tropfen Wasser, gleich neben dem Schlafsack. Bei den Tröpfchen blieb es dann aber die nächsten Tage auch, plus ein paar unterm Luk im Bug. Was Armin bald auffiel: Im Vergleich zu einem Plastikboot ist nicht nur die gefühlte Atmosphäre freundlicher, wir hatten auch überhaupt keine „Tropfsteinhöhle“. Ob es nun am Boot oder unserem Verhalten lag: Abends eine Weile im Boot den Lüfter an, nachts den Niedergang aus dem Cockpit komplett offen lassen, darüber die (dann abends zumindest von außen schnell feuchte bis nasse) zeltartige Kuchenbude. Auch wenn derzeit in den Ostseehäfen offenbar der Wasserspiegel nicht ganz waagerecht ausgelotet ist – man rollt und rutscht auf den Pritschen immer ein wenig in die gleiche Richtung: Wir haben selten so gut geschlafen, bei leisem Geglucker hinter dem geklinkerten Rumpf direkt am Ohr.
Raus auf die Ostsee segeln
Jetzt am zweiten Tag sind wir tatsächlich „allein“. Den Abend über haben wir nochmal die Karten studiert (mehr zu unseren Navigations-Apps hier). Und vor allem das Wetter. Es ist deutlich ruhiger geworden, der Wind kommt aus Nordwest. Mehrfach planen wir um: Man kann von hier, ab Schleimünde, nach Westen in die Schlei segeln (wollen wir eigentlich nicht), nach Süden Richtung Damp (das wollen auch alle anderen nicht). Nach Norden oder Osten ist es dann immer ein weiter Schlag von über 20 Seemeilen. Eigentlich haben wir im Osten die Insel Ærø angepeilt. Oder doch nach Norden an die deutsch-dänische Grenze nach Sønderborg und dann den schönen Als Sund hoch? Bei Wind aus Nordwest kämen wir die Küste hoch, müssten dann aber ein kleines Stück in die Flensburger Förde (da wollen wir an sich auch nicht rein, außer man wollte nachts möglichst viele Seezeichen gleichzeitig studieren) hochkreuzen.
Morgens versichern wir uns noch einmal: Also doch nach Osten Richtung Ærø. Noch etwas müde sind wir defensiv gestimmt, peilen Marstal an statt der noch etwas weiter entfernte Nordspitze der Insel. Wir bauen die Kuchenbude ab, wurschteln beide vor uns hin, machen das Boot segelklar. Später fällt mir auf: Fast ohne ein Wort zu wechseln ist alles vorbereitet und gecheckt, läuft der Motor, legen wir ab, verlassen den Hafen, setzen die Segel. Als hätten wir das schon 100 x gemacht. Und dann: WOW! Wir sind unterwegs! Wir können es gar nicht fassen, zischen durch das Fahrwasser Richtung Schleimünde: Jacaranda ist vor dem Wind schneller als uns im Moment angesichts des flachen Wassers ringsum eigentlich lieb ist, aber bremsen geht jetzt schlecht, Ausflugsdampfer und Gegenverkehr sind noch fern und wir überholen einige andere Segler. Eins der Boote wird später erst lange nach uns am Ziel einlaufen. Im Cockpit liegen die vorsortierten Karten, Armin freut sich, dass sein Tablet mitspielt, und wir müssen lachen: Auf dem schwankenden Kompass am Reitbalken mitten im Cockpit, an dem wir uns schon einige blaue Flecken geholt haben, pendeln wir uns bei 60° ein. Die hatten wir schon im Winter spaßeshalber festgelegt: „Eigentlich muss man doch nur aus der Schlei raus und dann 60 Grad!“
Unterwegs: Wasser, Wind und Wellen
Einmal unterwegs, erfasst uns die Euphorie: Jacaranda segelt sich 1a. Zwar geht grad keine besondere Welle, wir bleiben aber auch die nächsten die Tage (von unten) völlig trocken, nur auf einem Streckenabschnitt bekommt das Vordeck Spritzer ab. Gleichzeitig steuert und sitzt man in ganz dicht am Wasser, die Wogen zischen zum Greifen nah um einen herum zum Heck und vereinen sich rauschend unterm hochgelegten Außenborder zum Kielwasser. Die festen Segelklamotten holen wir nicht ein Mal aus der Tasche, wenn es kurz mal nieselt, begnügen wir uns mit einer leichten Regenjacke – Rettungsweste und Sicherungsgurt sind sperrig genug.
Langsam verschwindet die deutsche Küste hinter uns im Dunst, um uns herum nur Wasser, Wind und Wellen – herrlich. Mit den Stunden wechseln wir uns ab, bekommen ein Gefühl für das Aussteuern der Wellen, adaptieren die ständigen Bewegungen, und werden immer geübter, den Kurs grob auszumitteln und mit dem Kompass zu halten: Zwischendurch checken wir Position sowie Richtung und sind etwas erstaunt, wie genau wir trotz des ständigen Schwankens – jede Welle hebt und dreht das Boot – unseren geplanten Kurs halten. Kaum taucht die Südspitze Ærøs vor uns auf, geht der Blick wieder auf die Karten: Wie dicht können wir an das schöne, geschwungene Steilufer sicher heran, wie stehen dort wohl Wind und Strömung. Wir vermuten das kleine Leuchtfeuer zwischen den Windmühlen, machen wieder einen Abgleich mit der Karte, es bleibt immer spannend, wie sich Vogelperspektiven-Kartenbild und Sicht aus dem Boot vereinbaren lassen. Erst sind wir unsicher – wie sollen die eingezeichnete Sektoren des Türmchens zwischen den leichten Hügeln aufs Meer hinaus reichen? Haben wir doch eine unbekannte Insel entdeckt? Ein paar Minuten und eine kleine Kursänderung später ändert sich die Perspektive wieder: Das Leuchtfeuer steht an Land doch freier als es von Südwesten schien, das ist ganz sicher das Vejsnæs Nakke Fyr, wir müssen nicht bis zur Dämmerung warten um zu prüfen, ob es mit Oc.WRG.5s leuchtet …
Entlang Ærø’s Küste
Jetzt geht es weiter nach Nordosten die schöne Küste entlang, bis wir die Werftkräne Marstals erkennen, davor aufgereiht die markanten, bunten Badehäuser am hellen Strand. Wir finden die Ansteuerungstonne, dahinter das recht schmal Fahrwasser zwischen vielen Sandbänken und haben – nach einem Blick auf die Lage der Fahrwassertonnen – offenbar Gegenstrom. Eine Entscheidung, die uns die nächsten Tage begleiten wird: Ab welchem Punkt nehmen wir die Segel runter? Aus irgendeinem Grund haben wir noch etwas Bammel davor, sie zu lange oben zu lassen, sie in einer kniffligen Situation nicht zackig genug runter zu bekommen. Mir fällt eine seltsame Begegnung aus vergangenen Jahren ein, als genau in dem Moment, wo man in den Hafen einbiegt, die frisch neu lackierte Inselfähre erstmalig aus der Werft entlassen wird und man da unerwartet mittendrin samt vieler Fotografen hängt …Wir entscheiden also auch mit Blick auf das flach schimmernde Wasser eher defensiv, setzen auf den Motor – und verschätzen uns ein wenig: Der richtet bei ruhigen Drehzahlen an dem 2-Tonnen-Schiff weniger aus, als gedacht, der Wind steht im weiteren Verlauf des Fahrwassers auch günstiger als kalkuliert und es ist nicht das letzte Mal, dass wir unter Segeln eigentlich zumindest einen Teil der Ansteuerung besser gefahren wären. Als wir uns durch die vielen Bojen zweier am Hafen zusammentreffender Fahrwasser vorausschauend um die Ecke in die Hafenbecken tasten, ist diesmal kein Gegenverkehr. Überhaupt geht es kurz vor der Saison noch angenehm ruhig zu. Zwischen Mole und Werften tuckern wir in Richtung Liegeplätze, die Nummern der im Hafenhandbuch angegebenen Gastliegerstege kennen wir mittlerweile auswendig. Direkt hinter dem großen Trockendock lachen uns zwei freie Plätze an – je tiefer wir jetzt noch in den Hafen hineinfahren, umso länger wird morgen auch wieder die Strecke hinaus. Wir drehen einen kleinen Kringel, entscheiden uns für den linken Platz, und aus dem übernächsten Boot kommt bereits jemand herübergeschlendert, um unsere Vorleinen anzunehmen. Kaum festgemacht, entdecken wir ein rotes „Belegt“-Schild, dass präzise zwischen zwei Plätzen am Holzsteg klemmt. Was jetzt? Wir entscheiden, dass wir ja eh Manövrieren üben wollen, legen noch einmal ab, rangieren eine Box weiter, bringen alle vier Bug- und Heckleinen in richtiger Länge aus. Der später erscheinende Hafenmeister kann uns auch nicht recht sagen, ob wir da jetzt hätten liegen dürfen. Dass danach aber ein grummeliger Fischer in unsere erste Box hineinrummst, festmacht und wortlos an Land verschwindet, bestätigt unsere Entscheidung.
Wir feiern derweil unseren fantastischen Tag: nach einem halben Jahr Vorbereitung und Unsicherheit, ob wir zwei unsere Idee überhaupt organisiert und realisiert bekommen, lümmeln wir glücklich im Cockpit mit Ausblick in den Sonnenuntergang überm Hafen und zischen eine Büchse Bier. Nach dem anstrengenden Tag in Wind und Sonne falle ich danach beim Schritt an Land beinahe auf der anderen Seite des Steges gleich wieder runter, wir sind echt alle – und mordshungrig. Auf zur Pølserbude, die strategisch günstig direkt gegenüber vom Steg liegt. Aber statt Pølser stapeln sich ein par Minuten später gigantische Burger an Deck unseres Bootes und die größten Pommesportionen des bekannten Universum. Taktisch geschickt hat Armin dabei gleich unseren Vorrat an 50-Cent- und 1-Euro-Stücken um 10-Kronen-Münzen für die dänischen Duschen ergänzt.
Lotseninsel-Idyll
Beim letzten Zwischenstopp unserer Tour legen wir aus Bagenkop kommend in Schleimünde an. Das kommt uns selbst erst ein wenig fraglich vor – liegt ja quasi in Sichtweite unseres Zielhafens Maasholm. Aber ist doch eigentlich quatschegal, wie weit oder dicht es ist – wir haben zuvor wieder eine weitere Überfahrt hinter uns gebracht, uns durch eine ziemlich unangenehm aufgewühlte Schleimündung gekämpft und erhoffen uns dort am Leuchtturm noch eine idyllische Atmosphäre. Und werden nicht enttäuscht! Das liegt nicht allein daran, dass wir auf Grund drohender Unwetter sehr zeitig umgeplant hatten und den Wecker in Bagenkop früh klingeln ließen. Wenn man eins bei Aard auf der Banjaard lernen konnte: Sich mit Wind und Wetter zu arrangieren, und nicht gegen, sondern mit diesen zu segeln. Jetzt stellen wir befriedigt fest, dass wir mit einem guten Puffer zeitig ankamen und unsere Streckenführung genau richtig war. Es wird für hiesige Verhältnisse sogar regelrecht „voll“, denn noch eine ganze Reihe weiterer Boote flüchtet sich vor den langsam am Horizont aufziehenden Gewittern in die winzige Bucht direkt am nicht zugänglichen Naturschutzgebiet.
Von hier geht der Blick rundum zurück auf die Ostsee, in die Schlei oder über die Windgatten und die Weiden mit Galloway-Rindern, die eine Ansiedlung wiesenbrütenden Vogelarten fördern. Ein absolutes Muss ist dann ein Besuch in der legendären Giftbude, auch sie nur auf dem Wasserweg erreichbar: Auch wenn wir gleich noch unsere legendären Ostseekartoffeln in der Pfanne brutzeln werden (zu den Zutaten sei nur soviel verraten: zwingende Zutaten sind Kartoffeln aus der Bilge und mindestens eine Tomate, die zuvor unter den schmierigen Benzintank gekullert war): Küchen- und Hafen-Crew sind so nett, die Speisekarte so fantasievoll und lecker, und unser Hunger so gigantisch, dass wir hier schon eine erste Runde Leckereien verputzen.
Dass dann kurz darauf noch die Fortuna anlegt, bei deren Crew mein Neffe Christoph ab Sommer anheuert, rundet den Tag wunderbar ab, bevor es richtig zu schütten und zu knallen beginnt. Dass es dann doch ein wenig durch die Kuchenbude tropft, ist uns jetzt auch egal: Beim Brutzeln gibt das sicher zusätzliches Aroma in der Pfanne, im Boot selbst bleibt es trocken und uns fällt ein, dass wir die ganze Zeit schon ein bisher unangetastetes Fläschchen aus Edinburgh durch die Gegend segeln.
Daysailing auf der Ostsee und – Ihr wartet doch schon – Motorboot-Bashing
Am letzten Tag schließlich wartet auf uns die Herausforderung, die sensationelle Entfernung Schleimünde-Maasholm zu meistern. Wir schlafen erst mal aus, frühstücken gemütlich, bevor wir noch einmal zu einem Tag einfachen „Daysailings“ auf die Ostsee rauswollen, zurück nach Maasholm fahren, auf- und ausräumen und uns ein letztes Mal in die Kojen verholen. Vor der Hafeneinfahrt hängt noch halb dieser potthässliche Schleiraddampfer, neben dem man am liebsten ständig eine Sichtschutzwand mitführen möchte, und wir wollen heute eigentlich unter Segeln raus aus dem Hafen, ins Fahrwasser und dann auf die Ostsee. Dazu müssen wir uns gegen den Wind drüben ans Hafenende verlegen und genehmigen uns zwei Minuten Motorfahrt. Erst müssen wir eine Heckleine losbekommen, die am Pfahl tief hinab ins Hafenbecken gerutscht ist. Wir ziehen alle Register unserer eingeübten Folkeboot-Artistik:
- Armin sichert und führt vom Steg die Bugleinen
- ich sitze rückwärts auf der Steuerbord-Ecke des Hecks
- rechte Hand am Außenborder-Gashebel und Motorsteuerung
- linke Hand an der Steuerbord-Heckleine
- linker Schuh im Wasser, um die Leine vom Pfahlbewuchs los zu bekommen
- rechter Oberschenkel führt die Ruderpinne, ohne den Bezinschlauch unter mir abzudrücken
- mit dem rechten Fuß Außenborderschaltung vorwärts/Leerlauf/rückwärts
- (im Mund noch keine weitere Leine)
In diesem Moment knallt neben uns ein Motorboot auf kürzestem Weg von der Einfahrt her in den mittlerweile fast ganz leeren Hafen hinein, ringsum wie ein Autoscooter mit allem abgepolstert, was chemische Industrie und Tauwerkshändler hergeben. Es nimmt mich fast mit, hält natürlich ausgerechnet direkt auf die Box neben uns zu – und bleibt stecken. Ein Folkeboot ist dann halt doch im Fuß etwas schlanker.
Sie: „Das passt nicht!“
Er: „Doch, das passt!“
Sie: „Nein, wir sind zu breit!“
Er: „Dann nimm endlich die Fender raus!“
Sie: „Die sind schon weg, das ist zu eng!“
Er: „Ich fahr doch jetzt nicht wieder raus, da hab ich keinen Bock drauf!“
Armin und ich gucken uns kurz an, wir machen alles wieder retour, er belegt uns vorn und bietet seine Hilfe an. Irgendwie quetschen sie den Kahn rein, und wir fangen von vorne an. Nun ja, sollte der Wind das Wasser ein wenig aus der Schlei gedrückt haben, dann hingen sie vielleicht gleich praktischerweise zwischen den Pfählen im Trockendock und können sich ihr Boot mal von unten ansehen. Wir verholen uns nach Gegenüber, setzen Segel, zischen aus dem Hafen. Mist. Keiner mehr da, der unser Manöver bewundern könnte. Aber belohnt werden wir durch einen weiteren wunderbaren Segeltag, bevor es dann zurück und langsam an den Abschied geht.
Oh, da fällt uns auf …
Ach übrigens stellten wir in unserem letzten dänischen Hafen in in der Dusche fest, dass diese hier auch ganz ohne Münzautomat funktionierte. Dann müssen wir mit unserer Sammlung dänischer Münzen wohl nochmal los, in die Dänische Südsee!
Ahoi Detlef, Ahoi Armin, super Tour, schreit nach FolgeFolke 2020. Wir ziehen ab Mitte Mai 3 Wochen los, seit Ihr dabei?? Gibt auch Kaffee… Lg Katih&Jörg (Mumi)
FolgeFolke klingt gut, bei uns immerhin eine Woche, wohl aber leider erst August.